Die ersten Instrumente kamen vom "Trödler"
Der Posaunenchor an der Peterskirche feiert am Wochenende seinen runden Geburtstag nach. Einblicke in eine bewegende Chronik.
Weinheim. "Lobet Gott mit Posaunen und Trompeten": So ist es in Psalm 150 nachzulesen. "Blaset mit Posaunen schön, singe, klinget, lasst erschallen Herz und Mundes gleichen Tön", beschreibt ein anderes Zitat die Aufgabe eines Posaunenchors. Der damit verbundenen Aufforderung, Gott zu loben und ihn mit Musik zu lobpreisen, fühlt sich seit 100 Jahren der Posaunenchor Weinheim verpflichtet. Diesen "Zusammenklang von Musik und Herz" wollen die aktuell 50 aktiven Männer und Frauen um ihren Leiter, Bezirkskantor Simon Langenbach, am kommenden Wochenende, 16. und 17. Juli, mit vielen anderen teilen und mit Schall und Klang "Gott und den Menschen zum Wohlgefallen musizieren".
Die Wiege des Posaunenchors stand im Weinheimer Pilgerhaus. Dort hatte der damalige Hausvater Wilhelm Schäfer 1920 einen Posaunenchor gegründet und für diesen – so steht es in der Chronik nachzulesen – bei einem Trödler "für viel Geld" zwei Trompeten gekauft. Die ersten Mitglieder waren Jungen des Waisenhauses, hinzugesellten sich Mitglieder der "Inneren Mission". Die musikalische Leitung übernahm der Lehrer Chrischbaum. Ein Jahr später schloss sich der Chor dem "Badischen Jungmänner- und Jünglingsverein" an. Ab 1922 fanden die Proben in einem Hinterhaus in der Hauptstraße statt.
Um die Chronik verdient gemacht habe sich als einer der Köpfe des kompetent besetzten Festausschusses Eckhard Malcherek, so Kantor Simon Langenbach, Pfarrerin Ute Haizmann und die Chormitglieder Wolfram Sittig und Annika Förster im Pressegespräch.
Die Historie der Posaunenchöre selbst reicht bis Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Es war der "Posaunengeneral" Johannes Kuhlo, der in Deutschland als Erster eine solche im kirchlichen Bereich tätige Gemeinschaft formte. Ihm war es wichtig, die in den Gottesdiensten allein tätigen Vokalchöre durch Blechbläser-Formationen als "mobile instrumentale Einsatztruppe" zu ergänzen.
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Ob in den 1920ern schon Lehrer Chrischbaum wie in unseren Tagen Langenbach seine Posaunen-Jünger hin und wieder mithilfe einer mit Trichter und Mundstück umfunktionierten Schlauchtrompete ans Spielen heranführte, ist nicht überliefert. Ab Mitte der 1920er-Jahre lag die musikalische Leitung in den Händen des angesehenen Friseurmeisters Philipp Frey. Von ihm stammt auch das Lied "O Weinheim, du Heimat". Von 1928 an probte der Chor im "Jugendhaus zur Sonne" am Marktplatz. Heute befindet sich dort das von den Brüdern Alberto und Domenico Ferrarese geführte Restaurant "La Cantina".
Der Zweite Weltkrieg hinterließ in den Reihen des Chors tiefe Spuren. Bereits im Zuge der nationalsozialistischen Gleichschaltung war er in der Hitlerjugend aufgegangen. Ein letztes Mal erklangen zu Weihnachten 1939 vom Turm der Peterskirche Choräle: Der Krieg hatte bekanntlich bereits im September zuvor begonnen. Fast alle Bläser mussten an die Front. Sechs von ihnen fallen im Krieg, einer stirbt in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, einer bleibt vermisst. Auch Dirigent Philipp Frey stirbt. Einzig Obmann Ludwig Böbel spielte an seinem Grab.
Nach Kriegsende begannen die heimgekehrten Bläser um Böbel mit dem Neuaufbau. Beim Jugendsonntag am 12. Mai 1946 spielte der Chor wieder auf. "Sofort wird auch wieder mit der Ausbildung neuer Bläser begonnen", sagt die Chronik. Unter ihnen befanden sich auch Werner Andreas Albert, der später als Dirigent internationale Berühmtheit erlangte, sowie Hans Lehr, der dem Chor 65 Jahre lang aktiv angehörte.
Der Erwähnung wert ist das alljährliche weihnachtliche Turmblasen von den Türmen der Peterskirche und der Markuskirche: "Bei denen immer wieder die Instrumente einfrieren und mit Lötlampen aufgetaut werden", sagt Simon Langenbach und schmunzelt. Im Januar 1970 wurde mit Johanna Lehr die erste Frau aufgenommen. Heute zeigt sich das Geschlechterverhältnis fast ausgeglichen
Als Kantor Dieter Kreutz 2003 in den Ruhestand trat, schlug das Kantorenehepaar Simon und Anne Langenbach ein neues, bis heute anhaltendes Erfolgskapitel auf. Simon Langenbach wandte sich verstärkt der Jugendarbeit zu und gründete 2008 im Bezirk Mannheim/Bergstraße eine Jungbläserschule. Diese bildet mit angestellten Lehrern Jugendliche und Erwachsene an den Blechblasinstrumenten aus. Das "Weihnachtskonzert bei Kerzenschein" mit anderen Chören der Peterskirche entwickelt sich mit der alljährlichen Bläserserenade mit regelmäßig bis zu 1000 Besuchern zu den größten Publikumsmagneten des Kirchenjahrs.
In den Annalen des Jubilars hat auch die Corona-Pandemie ihre Spuren hinterlassen. Die musikalischen Aktivitäten mussten drastisch eingeschränkt, das eigentlich schon 2020 anstehende Jubiläumsjahr verschoben werden. Der Ausblick auf das Kommende stimmt dennoch optimistisch. "Choräle und klassische Musik bleiben weiter im Repertoire des Chors, werden aber durch moderne und zeitgenössische Stücke sowie Eigenkompositionen erweitert", so Simon Langenbach. Er erinnert aber auch an die elf Chorleiter, welche vor ihm die Geschichte und Geschicke des Chores prägten.
Eine Anekdote zum Schluss der Chronik soll gleichfalls nicht unerwähnt bleiben. So berichtet der Pfarrer der katholischen Seelsorgeeinheit Weinheim-Hirschberg, Joachim Dauer, in seinem Grußwort von einer Begegnung mit dem damaligen Evangelischen Landesbischof Ulrich Fischer. Der habe ihm, Dauer, gegenüber bekannt: "Worum ich die katholische Kirche beneide, das sind die Ministranten und Ministrantinnen". Dauer darauf spontan: "Worum ich die evangelische Kirche beneide, das sind ihre Posaunenchöre."
Die Bläsermatinee: Zum Start gibt es am Samstag, 16. Juli, 11 Uhr, eine Bläser-Matinee mit Turmblasen auf dem Weinheimer Marktplatz. Posaunenchöre aus der Region lassen ihre Instrumente und bekannte Stücke erklingen. Musiker des Nordbadischen Blechbläserensembles spielen dazu von den umliegenden Türmen. Die Leitung hat der Landesposaunenwart und Kirchenmusikdirektor (KMD) Armin Schaefer inne.
Das Jubiläumskonzert: Das Festkonzert unter dem Motto "Friends for Life" beginnt am Samstag, 16. Juli, 17 Uhr, in der Peterskirche. Der Posaunenchor an der Peterskirche bringt, geleitet von Bezirkskantor und KMD Simon Langenbach, klassische und moderne Stücke zur Aufführung. Ein großer Chor aus Bläserinnen und Bläsern des Bezirks gestaltet unter der Leitung von Landesposaunenwart Schaefer das Festkonzert mit. Im Anschluss lassen Mitwirkende und Besucher den Abend bei Speis’ und Trank ausklingen.
Der Festgottesdienst: Der Fest- und Dankesgottesdienst beginnt am Sonntag, 17. Juli, 10 Uhr, in der Peterskirche. Im Gottesdienst, der vom Posaunenchor an der Peterskirche musikalisch gestaltet wird, gedenkt der Chor seiner früheren Mitglieder und ehrt langjährige Bläserinnen und Bläser des Posaunenchors.
Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung vom 14.07.2022 von Günther Grosch