Mobile musikalische Einsatztruppe
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Posaunenchor an der Peterskirche: Seit 100 Jahren bringen die Musiker mit ihren Blasinstrumenten Gotteslob zum Klingen – in der Kirche und an vielen anderen Orten

Weinheim. Zu Beginn der Coronapandemie im Frühjahr 2020 spendete jeden Abend ein anderes Mitglied des Posaunenchors vom Turm der Peterskirche herab Trost mit dem Lied „Der Mond ist aufgegangen“. Die Blechbläser gingen nicht nur in der jüngsten Vergangenheit gemeinsam durch dick und dünn. Sie bereichern in Weinheim seit 1920 Gottesdienste und andere kirchliche Anlässe mit ihrem musikalischen Gotteslob, erfreuen aber auch an anderen Orten der Stadt mit ihrer Musik. „Wir sind eine mobile musikalische Einsatztruppe“, sagt ihr Leiter Simon Langenbach.
Egal ob an Ostern auf der Burg Windeck, an Heiligabend bei der Feier für Obdachlose, beim Sommertagszug als Blechveteranen mit Zylinder oder in ökumenischer Mission bei der Fronleichnamsprozession: Die Blechbläser von der Peterskirche sind im öffentlichen Leben ebenso präsent wie in ihrer Kirchengemeinde. Über 30 Frauen und Männer verschiedenster Altersstufen bilden derzeit den Posaunenchor. „Diese Mischung und der Zusammenhalt sind Stärken des Chores“, sagt Gemeindepfarrerin Ute Haizmann. Eine der Aktiven ist Annika Förster. Seit ihrem neunten Lebensjahr spielt sie im Ensemble Trompete. „Meine Mutter brachte mich dazu. So haben wir ein gemeinsames Hobby, und wie einige andere Aktive des Posaunenchors bin ich außerdem Mitglied in der Kantorei. Musik ist sozusagen mein Leben“, sagt die 29-Jährige.

Anfänge im Pilgerhaus
Annika Förster gehört zum Organisationsteam, das monatelang die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen des Posaunenchors vorbereitet hat. Wegen Corona wird jetzt zwei Jahre später gefeiert. Die Vorfreude aufs Jubiläum teilt sie mit Eckhard Malcherek und Wolfram Sittig. Alle drei werfen zusammen mit Bezirkschorleiter KMD Langenbach und Pfarrerin Haizmann in der Peterskirche einen Blick auf das Festwochenende am 16. und 17. Juli. Außerdem stellt Malcherek die von ihm verfasste und koordinierte, 50 Seiten starke Chronik mit vielen Bildern und Grußworten vor.
Als Wilhelm Schäfer, der damalige Hausvater des Pilgerhauses, 1920 den Weinheimer Posaunenchor gründete, war er noch lange nicht an der Peterskirche verortet und wurde von Lehrer Chrischbaum geleitet. Immerhin lag ab 1922 der Probenraum in der Hauptstraße 27 beim Rodensteiner Brunnen nicht weit von der Kirche entfernt. Hohes Ansehen genoss Friseurmeister Philipp Frey, der 1924 die musikalische Leitung übernahm und das Lied „O Weinheim, du Heimat“ verfasste. Der zunächst dem badischen Jungmänner- und Jünglingsverein angeschlossene Posaunenchor wird 1925 dem Christlichen Verein Junger Männer angegliedert. Schon Anfang der Dreißigerjahre berichtet die Chronik von einem reichen Einsatzspektrum. Musiziert wird bei Gottesdiensten in der Peterskirche und der Stadtkirche, aber auch bereits im Krankenhaus oder Altersheim.
Nach dem weihnachtlichen Turmblasen 1939 verstummten die Instrumente der Musiker. Sechs Bläser starben im Krieg, einer in russischer Kriegsgefangenschaft und einer blieb vermisst. Mit Obmann Ludwig Böbel begann 1946 der Neuaufbau des Posaunenchors, der dann zehn Jahre lang von Peter Hesse geleitet wurde. Unter den damals neu ausgebildeten Aktiven waren Werner Andreas Albert, der später als Dirigent internationale Berühmtheit erlangte, und Hans Lehr, der 65 Jahre im Chor aktiv war.

Holpriger Übergang
Noch gehörte der Posaunenchor nicht zur Landeskirche, aber seine Bindung zur Peterskirche verstärkte sich Ende der Vierzigerjahre. Die Proben fanden damals im Konfirmandensaal statt, und 1950 sorgte der Chor für die musikalische Gestaltung einer Glockenweihe. Der Übergang des Posaunenchors zur Peterskirche, in der damals die Petrus- und Paulusgemeinde Gottesdienste feierten, verlief nicht spannungslos. Der 1958 eingesetzte hauptamtliche Kantor Johannes Carl scheiterte, als er die Selbstverwaltung des Chores aufheben wollte. Erst 1966 führte mit Helmut Sauer ein anderer Kantor den Posaunenchor an die Kirchengemeinde heran, doch die Spannungen hielten noch Jahre an.

Erste Frau im Chor
Die Chronik berichtet, dass 1970 mit Johanna Lehr die erste Frau im Posaunenchor aufgenommen wurde. Heute ist die Hälfte der über 30 Aktiven weiblich. Im Jahr 1994 starb mit Heinrich Schuch das letzte Gründungsmitglied. Die musikalische Leitung lag seit 1977 bei Bezirkskantor Dieter Kreutz in sicheren Händen, der die Tradition von Auftritten bei Landes- und Deutschen Posaunentagen aufrechterhielt. Außerdem pflegte der Chor kurz nach der Wende Anfang der Neunzigerjahre Kontakte zur Partnergemeinde in der Uckermark.
Als Simon Langenbach im Jahr 2003 den in Ruhestand gehenden Dieter Kreutz als Bezirkskantor ablöste, erhielt unter anderem die Nachwuchsarbeit einen besonderen Schub; beispielsweise durch die Gründung einer Jungbläserschule im Bezirk Mannheim/Bergstraße im Jahr 2008. „Die Werbung für das Spielen eines Instrumentes werden wir noch in diesem Jahr an Schulen wieder intensivieren“, blickt Langenbach in die nahe Zukunft. Der Posaunenchor bietet dabei auch durch Unterstützung eines Fördervereins die Möglichkeit, Anfängern ein Instrument auszuleihen. Gerne zeigt Langenbach auch als erste musikalische Versuche, wie man einem Gartenschlauch unterschiedliche Töne entlocken kann.
Insgesamt wurde das Spielen auf Posaune, Trompete, Horn und Tuba unter Langenbach und Mitstreitern auf ein neues Niveau gehoben. Das Konzert bei Kerzenschein im Advent oder die Bläserserenade erfreuen jährlich zahlreiche Besucher, und der Posaunenchor erlebt bei Kirchentagen unvergessliche Stunden. Nun aber freuen sich seine Mitglieder auf einen besonderen öffentlichen Auftritt am 16. Juli ab 11 Uhr, wenn am oberen Marktplatz Blechbläser aus der ganzen Region zur Feier des 100-jährigen Bestehens ihre Instrumente erklingen lassen.

Quelle: WNOZ vom 06.07.2022 - Autor: Jürgen Drawitsch

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